Digitale Souveränität und Autonomie – eine Spurensuche und Auslegeordnung

Datum
17.09.2025

In den letzten Monaten hat das Thema Souveränität, insbesondere die digitale Souveränität, stark an Brisanz gewonnen.

Die Begriffe «Souveränität» und «Autonomie» sind ähnlich oder verwandt, aber nicht identisch. Während sich Souveränität auf die höchste, unabhängige Entscheidungsbefugnis eines Staates oder einer Person bezieht, bezeichnet Autonomie die Fähigkeit zur Selbstverwaltung und Selbstbestimmung, die oft in einem kleineren Rahmen erfolgt. Souveränität ist demnach das Recht eines Staates, über seine eigenen Angelegenheiten zu bestimmen, ohne Einmischung von aussen. Was das im Rahmen unseres Staatswesens bedeutet, wissen wir nicht erst seit den letzten bilateralen Verhandlungen mit der EU. Diese Spuren gehen viel weiter zurück (EWR-Abstimmung, Napoleon, Helvetik usw.).

Autonomie bedeutet, dass eine Einheit (Person, Gruppe, Institution oder Staat) das Recht hat, eigene Entscheidungen zu treffen und zu handeln, ohne von aussen kontrolliert zu werden. Souveräne Staaten können autonom sein, aber nicht alle autonomen Einheiten sind souverän. So ist ein Kanton in der Schweiz autonom, aber nicht souverän, da er Teil eines souveränen Staates ist. Souveränität ist ein Begriff des Völkerrechts, während Autonomie in verschiedenen Kontexten verwendet wird, einschliesslich Politik, Recht, Ethik und Psychologie. So weit, so klar! Geht man jedoch mehr ins Detail, wird das Thema zunehmend komplexer und es stellt sich rasch die Frage, ob Souveränität ohne Autonomie überhaupt möglich ist. Zumindest die Antwort darauf scheint klar zu sein: Souveränität ist die höchste Form der Autonomie, die ohne Autonomie nicht existieren kann. Souveränität setzt also Autonomie voraus, womit digitale Souveränität digitale Autonomie voraussetzt.

Vollständige digitale Souveränität ist kaum möglich
Unsere Welt ist arbeitsteilig und mittlerweile global organisiert, auch wenn der Trend aktuell stark in die Gegenrichtung geht. Produktions- und damit gesellschaftliche Vorteile ergeben sich dadurch, dass nicht mehr jede Person (bzw. Entität) autonom agiert, sondern sich spezialisiert und Teile abgibt. Dieses Rad lässt sich, wenn überhaupt, nur noch für grosse Staaten zurückdrehen. China beispielsweise hat das Ziel, im Bereich wichtiger Schlüsseltechnologien vollständig souverän zu werden. Für die Schlüsseltechnologie KI bedeutet dies, dass China vom Abbau seltener Erden über die Chipfertigung bis hin zu Software, KI-Modellen und KI-Spezialisten vollständig autonom und von aussen unabhängig werden muss. China kann das schaffen. Für die USA wird es schwieriger, da «shareholdergetriebene» Wirtschaften eine andere Richtung beschreiten. Für kleinere Staaten und Einheiten ist es gänzlich unmöglich.

digitale souveränität

Welche Ebenen der digitalen Souveränität gibt es?
Steckt man den Rahmen wieder etwas enger und fokussiert auf die digitale Souveränität, dann lassen sich drei Ebenen grob unterscheiden:

Die Datensouveränität steht auf dem untersten Level. Dabei geht es für ein Unternehmen darum, ob die eigenen Daten rechtssicher verarbeitet und gespeichert werden sowie jederzeit zur Verfügung stehen. Dies gilt unabhängig vom Standort des Unternehmens, d. h. unabhängig davon, an welchem Ort sich die Daten befinden.

Die zweite Ebene ist die Betriebssouveränität: Habe ich Transparenz und Kontrolle über die Durchführung und das Management aller operativen Prozesse? Dies hängt davon ab, ob die zuständigen Personen entsprechend kontrolliert werden können und ob Zugang zu den Datenzentren besteht. Hier geht es also um die physische Infrastruktur und das Personal. Befinden sich die Datenzentren beispielsweise in europäischen Ländern, lassen sie sich erheblich besser absichern und kontrollieren. Das gilt insbesondere, wenn sie sich in der Schweiz bei Schweizer Anbietern befinden.

Die letzte Stufe ist die technische Souveränität. Dort stellt sich die Frage, ob Hardware und Software-Stacks unabhängig sind. Das verhindert dann beispielsweise, in einen Vendor Lock-in mit anschliessendem Preisdruck zu geraten oder von einem Innovationspfad abgeschnitten zu werden. Gerade hier bietet Open Source zumindest für den Bereich SW optimale Voraussetzungen.

Welcher Handlungsspielraum besteht auf den einzelnen Ebenen?
Obwohl der unterste Level der Datensouveränität am einfachsten zu erreichen wäre, ist gerade dieser seit der neuen US-Administration durch ausgehebelte Rechtssicherheit komplett unter Druck geraten. Nüchtern betrachtet ist seit dem Cloud-Act Datensouveränität bei US-Anbietern de facto eh nicht mehr möglich, sofern deren Lösungen nicht autonom on premises betrieben werden können. Im Bereich der Public Cloud-Lösungen wird momentan landauf und landab unter Angabe mangelnder Alternativen die Datensouveränität noch vorab auf dem Altar geopfert. Diese Denkweise ist für einen souveränen Staat nicht nur gefährlich, sondern auch grundlegend falsch. Es gibt hier heute durchaus Alternativen, und auch wenn deren Einsatz und die entsprechenden Umstellungen herausfordernd sind, darf dies nicht als Ausrede dienen.

Betriebssouveränität ist bereits etwas anspruchsvoller, da sie zusätzlich Transparenz und Kontrolle über operative Prozesse, Systeme und Personen voraussetzt. Am einfachsten ist Betriebssouveränität bei Anbietern realisierbar, die vollständig in der Schweiz tätig sind und unter eigener Kontrolle stehen. Auch das europäische Ausland bietet mit seinen umfangreichen Regulatorien gute Voraussetzungen.

Die technische Stufe der digitalen Souveränität ist am schwierigsten zu erreichen. Wie am Beispiel von China oben geschildert, ist dies im Hardwarebereich für die Schweiz unmöglich. Im Bereich der Software hingegen gibt es mit Open Source valable Alternativen. Diese reduzieren nicht nur die Abhängigkeit von grossen Anbietern, sondern generieren auch Wertschöpfung in Europa und erhalten Arbeitsplätze in der Schweiz.

Die Frage nach dem Grad der digitalen Souveränität im Umfeld öffentlicher Verwaltungen ist letztendlich eine politische Frage, die durch die Gesellschaft und nicht durch die Verwaltung beantwortet werden sollte. Die Bedag bringt sich deshalb hierzu nicht dediziert ein. Unsere Kernkompetenz liegt im Bereich der Betriebssouveränität. Über die Eignerstrategie und den Besitzstand verfügt der Kanton Bern über eine hohe Transparenz bezüglich der bei der Bedag betriebenen Lösungen.

Weitere Möglichkeiten ergeben sich für die Bedag im Bereich der technischen Souveränität. Unsere Softwareentwicklung ist nahezu vollständig auf Open Source ausgerichtet und wir setzen in unseren eigenen Softwareprodukten auf Open Source, wann immer dies möglich ist. In diesem Bereich können wir eigenständig Aktivitäten vorantreiben. Deshalb haben wir uns entschieden, unsere Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule BFH zu vertiefen und uns an der Initiative für eine digitale souveräne Schweiz zu beteiligen. Wir sind neu Mitglied im «Netzwerk Souveräne Digitale Schweiz» (SDS). Das Thema «Digitale Souveränität» steht noch am Anfang. Die Bedag gehört jedoch zu den ersten Unternehmen in der Schweiz, die sich aktiv dafür engagieren.

Fred Wenger, CEO der Bedag


Weitere Informationen zur digitalen Souveränität finden Sie hier:

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